Menschen verstehen sich mal gut, mal besser. Das trifft auch für Chefs und ihre Mitarbeiter zu. Wo die zwischenmenschliche Chemie besonders gut stimmt, fällt es leichter spezielle Kompromisse zu schließen. So fahren schon einmal der Chef und eine von ihm besonders geschätzte Mitarbeiterin gemeinsam in den Urlaub. In anderen Fällen teilen der Vorgesetzte und sein Untergebener bestimmte gesellschaftliche, persönliche und wirtschaftliche Interessen. Dazu kann der Sport, die Politik oder aber auch die Teilnahme an Veranstaltungen gehören. Problematisch wird es jedoch, wenn die persönlichen Kriterien die beruflichen Optionen stark beeinflussen und rein sachliche Entscheidungen teilweise unmöglich machen. Gleichzeitig fühlen sich andere Kollegen durch diese Konstellation herabgesetzt.
Es kann auch passieren, dass die Freundin oder der Freund des Chefs eine exponierte Stellung ausnutzt, um die eigenen Interessen im Unternehmen rücksichtlos durchzusetzen. Hier ist beispielsweise Mobbing denkbar, das dem anderen normalen Kollegen unter diesen Umständen meistens keine Chancen lässt. Doch wo sollte der Vorgesetzte in diesen Fällen die für beide notwendigen Grenzen ziehen? Um diesen Problemen vorzubeugen, gibt es einige interessante Regeln. Werden sie befolgt, steht der arbeitsförderlichen Stimmung innerhalb des Unternehmens nichts mehr im Weg. Am besten lassen sich diese Möglichkeiten an den folgenden konkreten Beispielen durchspielen.
Der Vorgesetzte klärt die Rollen und Erwartungen verbindlich ab
Gerd W. ist Chef einer Vertriebsabteilung. Im August stellt er seinen Freund Karsten G. als Mitarbeiter ein. Um Problemen vorzubeugen, erklärt er ihm die Spielregeln, mit denen die jeweiligen Doppelrollen Vorgesetzter und Freund effektiv eingehalten werden können. Innerhalb der Firma hat Kasten G. alle Anweisungen des Unternehmers Gerd W. und der Teamleiterin Claudia M. – wie jeder andere Angestellte – zu befolgen. Verstößt er gegen diese Regelungen, können – wie bei den anderen – Verweise, Abmahnungen und die Kündigung folgen. Der Arbeitsvertrag enthält keine Sonderkonditionen. Als Unternehmer legt Gerd W. großen Wert auf die Einhaltung der Hierarchie sowie eine Gleichbehandlung jedes Mitarbeiters. Außerhalb des Unternehmens gelten die privaten Regeln, die nicht mit betrieblichen durchmischt werden dürfen.
Der Chef zieht die richtigen Grenzen
Zwischen Gerd W. als Chef und seinem Mitarbeiter und Freund Kasten G. gibt es eine weitere Ebene. Sie wird von der Teamleiterin Claudia M. ausgefüllt, der Kasten G. direkt unterstellt ist. Im Einführungsgespräch stellt er Herrn Karsten G. seiner Vorgesetzten Claudia M. vor. Er hat sich mit allen Fragen direkt an sie und nicht an den Unternehmer Gerd W zu wenden. Sie ist auch für seine Leistungsbeurteilung verantwortlich und bespricht alle wichtigen Aufgaben mit dem Chef Gerd W.. Diese Hierarchieebenen hat Karsten G. auf jeden Fall einzuhalten. Sonst kommt es zu Problemen. Sowohl Claudia M. als auch die anderen Mitarbeiter ihres Teams würden bei der Umgehung den Eindruck gewinnen, dass Kasten G. eine „selbstgewählten“ Sonderstellung bewusst ausnutzt. Er könnte so die Position seiner direkten Vorgesetzten herabsetzen.
Im schlechtesten Fall verliert Gerd W. neben seiner geschätzten Teamleiterin Claudia M. weitere Mitglieder, die sich aufgrund der unfairen Behandlungen andere vakante Stellen suchen. Diese Vorgänge wären mit zusätzlichen Kosten und einer hohen personellen Fluktuation verbunden, die das Unternehmen auf Dauer schädigen.
Der Chef trennt berufliche und private Angelegenheiten
Schon am ersten Arbeitstag muss Kasten G. das Folgende wissen. Während der privaten Aktivitäten wird über die beruflichen nicht gesprochen. Gerd W. möchte am Wochenende oder während der gemeinsamen Tätigkeiten von seinen Freund Kasten G. weder betriebsinterne Informationen hören, noch betriebliche Strategien besprechen. Hat Gerd W. als Mitarbeiter einen Vorschlag, dann wendet er sich an seine Teamleiterin Claudia. Da zwischen dem Unternehmer und seinem Mitarbeiter und Freund ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, ist diese Abgrenzung nicht immer einfach. Es gibt jedoch eine Ausnahme. Ist Karsten G. als Stellvertreter von Gerd W. eingesetzt worden, könnten die beiden auch in der gemeinsamen Freizeit betriebliche Themen besprechen.
Der Chef äussert ehrliche Kritik
Einmal im Jahr findet ein Mitarbeitergespräch statt. Dazu laden Gerd W. als Unternehmer sowie seine Teamleiterin Claudia M. jeden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Hier folgen positive und negative Einschätzungen. Dabei darf Gerd W. seinem Mitarbeiter und Freund Karsten G. keine Sonderbehandlung zu kommenlassen. Er muss die Arbeitsleistung seines Freundes und dessen Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen kritisch und unvoreingenommen beurteilen. Dazu gehören neben der Belobigung und Beförderung gegebenenfalls auch Ermahnungen, Verwarnungen oder die Kündigung. Auch wenn die Freundschaft zwischen Gerd W. und Karsten G. dabei zerbricht, so darf dieses Risiko nicht die objektive Wahrnehmung beeinträchtigen. Grundsätzlich zählt die Auswirkung, sollte der freundschaftliche Aspekt die unternehmerische Entscheidung beeinflussen. Zuerst kommt immer die Führung des Unternehmens, dann die Freundschaft zu einem Mitarbeiter. Seine Schonung führt sonst beispielsweise zu betriebswirtschaftlichen oder personellen Konsequenzen, die sich auf die Existenz von Gerd W. und seiner Firma auswirken.
Wenn ein Freund befördert wird?
Würde Gerd W. als Unternehmer seinen Freund und neuen Angestellten Karsten G. befördern, sollte dieser Akt nur im Zusammenhang mit seiner überragenden Leistung stehen. Werden hingegen im gleichen Schritt andere Kollegen übergangen, löst diese Entscheidung der Geschäftsleitung begründeten Neid, Frust oder eine innere Kündigung des übergangenen Kollegen aus. Im schlechtesten Fall kündigen leistungsstarke Mitarbeiter, weil sie sich innerhalb des Unternehmens keine Chancen mehr ausrechnen können. Freundschaftliche Gefälligkeiten sind zwar möglich, sollten jedoch unterlassen werden.
Der Chef verhindert das Mobbing!
Neid, Eifersucht und Misstrauen führen auch zu Mobbing. Das gilt sowohl für die Seite von Karsten G., für die Teamleiterin Claudia M. und auch für die übrigen Mitarbeiter. Möchten Claudia M. und ihre Mitarbeiter Karsten G. los werden, weil sie ihn als Gerd W. Spitzel oder als unliebsame Konkurrenz fürchten, bieten sich ihnen eine Vielzahl von Möglichkeiten. Sie reichen von der üblen Nachrede über die Manipulation von Unterlagen bis zur direkten und unfairen Diskreditierung gegenüber Gerd W.. Das angestrebte Ziel ist klar. Gerd W. soll Karsten G. wegen Unfähigkeit entlassen. Tritt ein solches Problem ein, dann ist Gerd W als Unternehmer und Koordinator gefragt. Er hat sich um einen fairen und offenen Umgang zu kümmern und das jeweilige Thema mit allen Beteiligten offen zu besprechen.
Genauso könnte Karsten G. Appetit auf den Posten seiner Teamleiterin Claudia M. entwickeln. Nichts liegt in diesem Fall näher als eine Strategie, mit der er sie – mit oder ohne Hilfe seiner Kollegen – bei Gerd W. anschwärzt. Gegebenenfalls kommen noch Manipulationen und üble Nachrede dazu. Aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Gerd W. und Karten G. wirkt sich diese Vorgehensweise meistens zuungunsten von Claudia M. aus, deren Worte nur einen begrenzten Wert aufweisen. Tritt ein solche Situation ein, benötigt der Unternehmer ein besonderes Fingerspitzengefühl. Sein Vertrauen zu seinem Freund darf seine unternehmerischen Entscheidungen nicht so beeinflussen, dass er für seine Firma ungünstige personelle Entscheidungen trifft und die als würdig erwiesene Claudia M. zugunsten seines Freundes entlässt. Wird ein solcher Prozess innerhalb der Belegschaft bekannt, stärkt er die Position von Karsten G. und reduziert gleichzeitig die objektive Informationsgewinnung von Gerd W.. Jetzt traut sich niemand mehr, eine berechtigte Kritik gegenüber Karsten G. zu äußern, da er sonst mit Repressalien seitens der Geschäftsleitung rechnen muss.
Auch bei einer persönlichen Trennung gilt die Fairness
Seit seiner Einstellung musste Karsten G. viele Entscheidungen seines Freundes Gerd W. schlucken. Eigentlich möchte er sich jetzt auf seine Position als normaler Mitarbeiter zurückziehen. Die gemeinsamen Treffen und Unternehmungen mit Gerd W. nerven ihn, eine Kündigung kommt jedoch für ihn nicht in Frage. So fährt er die Kommunikation mit Gerd W. auf das beruflich Notwendige zurück. In dieser Situation wird vom Unternehmer Gerd W. eine große Portion Fairness verlangt. Er sollte die Wünsche seines ehemaligen Freundes respektieren und ihn als normalen Mitarbeiter behandeln. Aus verletztem Stolz kann es jedoch zu Bossing kommen. Mit unfairen Methoden drängt er dann Karsten G. zur Kündigung. Alternativ setzt er alle Mittel ein, um ihn bei der nächsten Gelegenheit zu entlassen. Beide Verfahren gefährden auf jeden Fall das Betriebsklima und sorgen dafür, dass die Mitarbeiter ihren Chef als unberechenbar einstufen. Was Karsten G. passiert, könnte früher oder später auch anderen Kolleginnen oder Kollegen widerfahren.