Wir schreiben das Jahr 2020 und zum ersten mal haben es Frauen geschafft, auch an der Spitze von DAX-Konzernen zu stehen. Aber ist das wirklich ein Grund zum Jubeln? Die Männer dominieren immer noch in der obersten Führungsetage. Das bestätigt auch eine Auswertung, die vom Beratungs- und Prüfungsunternehmen EY angelegt wurde. Dieser Auswertung ist die Entwicklung zu entnehmen, dass in den 160 Konzernen der Börsenindizes DAX, MDax und SDax zum Stichtag 1. Januar 2020 insgesamt 64 Frauen in den Vorständen sind. Ihnen stehen 633 Männer in den DAX-Vorständen gegenüber.
Wie stellt sich die Entwicklung der Frauenquote in den Vorständen dar?
Im Jahr 2000 kam es zu einer Selbstverpflichtung der großen Konzerne mit der Aussage, Frauen gleichzustellen. Ein Vorstoß, der schnell wieder in der berühmten Schublade verschwand. Wie sieht es zwischenzeitlich aus? Seit 2015 ist er kontinuierlich gestiegen. Heute liegt er bei 9,2 %, 2015 bei 5,0 Prozent. Andererseits sitzt in 66 % der Vorstandsgremien keine Frau.
Deutlich erkennbar sind immer noch die Unterschiede zwischen großen und kleineren Unternehmen, die börsennotiert sind. In 77 % = drei Viertel der 30 DAX-Unternehmen der obersten Börsenliga ist mindestens eine Frau vertreten. In lediglich 28 % der Unternehmen mittelgroßer Werte, also im Bereich MDax, sind Frauen als Managerin im Führungsgremium. Im unteren Segment, dem SDax, sind es sogar nur noch 20 %. Interessant ist zu beobachten, dass besonders in den Telekommunikationsunternehmen Frauen in die Führungsspitze vorrücken. Ihr dortiger Anteil liegt derzeit bei 16 %. Die Automobilbranche sowie der Bereich Transport und Logistik liegen an zweiter bzw. dritter Stelle mit ca. 14 %. Im Bereich der börsennotierten Energieversorgungs- und Medienunternehmen wurde bisher keine Frau in den Vorstand berufen.
Welche Frauen stehen bei DAX-Unternehmen an der Spitze?
Der Softwareriese SAP wird seit Oktober 2019 von Jeniffer Morgan als Co-Chefin geleitet. Martina Merz wechselte bei Thyssen Krupp vom Aufsichtsrat auf den Chefsessel im Vorstand, allerdings nur vorübergehend.
Folgende Frauen übernehmen Verantwortung in DAX-Vorständen.
- Margret Suckale, Arbeitsdirektorin, BASF
- Christine Hohmann-Dennhardt, Ressort Integrität und Recht, Daimler AG
- Regine Stachelhaus, Arbeitsdirektorin für die Bereiche Personal, IT und Einkauf sowie Recht und Compliance, E.ON AG
- Brigitte Eder, zuständig für das Europageschäft und das Ressort Personal, Siemens
- Barbara Kux, zuständig für den Bereich Nachhaltigkeit, Siemens
- Kathrin Menges, Personalchefin, Henkel
- Claudia Nemat, Europa-Ressort, Telekom
- Marion Schick, Personalvorständin, Telekom
Warum sind so wenige Frauen bisher in die Vorstandsetage vorgerückt?
Das Beratungsunternehmen EY (früher: Ernst & Young) sagt dazu: „Weil es, anders als für die Aufsichtsräte, keine gesetzlich vorgeschriebene Quote gibt. Ohne Zwang läuft nichts. Ohne Macht vom Gesetzgeber wird die Macht freiwillig nicht geteilt. Bleibt es bei diesem Tempo, wird erst im Jahre 2018 ein Drittel der Vorstände Frauen sein“.
Zur Jahresmitte 2019 lag der Frauenanteil in DAX-Aufsichtsräten bei über 30 %. Bei den Vorstandsposten besteht nach wie vor großer Nachholbedarf. Die FidAR (Initiative Frauen in die Aufsichtsräte) veröffentlichte im Juni 2019: Immer wieder, so die FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow, wurde in den letzten Jahren über die Notwendigkeit einer Frauenquote diskutiert. Lange hat sich die Wirtschaft gesträubt. Immer wieder wurde die Freiwilligkeit in den Vordergrund gestellt. Der WoB-Index hingegen zeigt deutlich, dass nur durch gesetzlichen Druck zu Veränderungen kommt. Zur Zeit liegt die letzte Sprosse der Karriereleiter in fast allen Konzernen und Großunternehmen, auch oder besonders bei jenen mit einer DAX-Dotierung, auf der Etage des Aufsichtsrates.
Monika Schulz-Strelow als Präsidenten der FidAR ist der Meinung, dass sich dies bei den 69 Unternehmen ohne Frauen im Vorstand auch in den nächsten Jahren nicht ändern werde. Zu viele nehmen die Zielgröße weiterhin nicht ernst.
Was sagt die Frauenministerin zu diesem Thema?
Auch die Albright Stiftung setzt sich für mehr Diversität in den Führungspositionen ein. Sie hält die Besetzung der Aufsichtsratsposten für „professioneller und transparenter“. Es würden zunehmend Kompetenzprofile erstellt und Headhunter involviert. Im Gegensatz dazu wären die Aufsichtsratsmitglieder früher aus dem persönlichen Inhaber-Netzwerk gekommen.
Statement der Albright Stiftung zum Thema
- Die Stärkung und den Ausbau bestehender Lernprogramme zur emotionalen Intelligenz. Vor allem müssen diese jedoch allen Mitarbeitern gleichermaßen zugänglich sein.
- Die Modifikatiion des Rekrutierungsprozesses. Bereits bei der Einstellung solle eine Bewertung der emotionalen Intelligenz stattfinden.
- Die Berücksichtigung der emotionalen Intelligenz bei der Entlohnung und bei Beförderungen.
- Der Einsatz von Daten und Technologien zur Stärkung einer Unternehmenskultur, in der die emotionale Intelligenz wertgeschätzt und gefördert wird.
Das Frauennetzwerk „Die Führungskräfte“, kurz DFK
Laut der Statistiken sind für die Karriere Netzwerke wichtiger als Leistung und Fleiß. Deswegen fördert der Verband seit vielen Jahren einen gezielten Auf- und Ausbau von Netzwerken unter weiblichen Führungskräften. Hinzu kommen Vortragsveranstaltungen, Seminare, Dinner-Treffen u.v.m. Können wir Frauen von den Männern lernen? Sie pflegen Netzwerkkontakte schließlich schon seit Jahrzehnten in ihren unterschiedlichen studentischen Verbindungen. Ein gewählter Abschluss zu diesem Artikel, der zum Nachdenken verleiten soll!